Jeder Führungsstil hat seine Stärken und Schwächen. Die große Herausforderung bei der Wahl des Führungsstils besteht darin, auf jeden Mitarbeiter mit seiner Individualität und seinen Bedürfnissen einzugehen. Ein situativer Führungsstil soll genau dies ermöglichen. Jeder Mitarbeiter wird dabei nach seinen Fähigkeiten und seinem Reifegrad geführt. Wie genau ein solcher situativer Führungsstil umgesetzt wird und welche Vor- und Nachteile er hat, liest Du in diesem Beitrag.
Das Modell eines situativen Führungsstils wurde bereits in den 1970er-Jahren von Ken Blanchard und Paul Hersey entwickelt. Sie unterschieden hier bereits zwischen einem personen- und einem aufgabenbezogenen Führungsansatz. Auch den jeweiligen „Reifegrad“ der Mitarbeitenden betrachteten die beiden Verhaltensforscher hier erstmals.
Führung teilt sich in diesem Ansatz in zwei generelle Aufgabenbereiche: Die Aufgabenorientierung und die Personenorientierung. Einerseits müssen klare Ziele im Blick behalten werden, wie die Einhaltung der Deadlines und die Qualität der Ergebnisse. Auf der anderen Seite stehen aber auch die Mitarbeiter selbst im Fokus, die Wertschätzung und konstruktives Feedback benötigen.
Die Suche nach einem universellen Führungsstil, der für alle Menschen in jeder Situation gleichermaßen funktioniert, führt ins Leere. Genau diese Erkenntnis ist die Basis des situativen Führungsstils. Unterschiedliche Menschen und verschiedene Situationen erfordern unterschiedliche Reaktionen und Herangehensweisen.
Situative Führung ist durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet:
Situatives Führen bedeutet, den Führungsstil der aktuellen Situation anzupassen. Du stimmst Deine Führungsmethoden flexibel auf die Person ab, die Dir gerade gegenübersteht.
Die meisten anderen Führungsstile basieren auf der Annahme, dass es den perfekten Führungsstil gibt, der sich universell einsetzen lässt. Das ist der entscheidende Unterschied zum situativen Führungsstil. |
In der ersten Theorie zum situativen Führungsstil werden ein „aufgabenbezogener“ und ein „personenbezogener“ Führungsstil klar voneinander abgegrenzt. Ein aufgabenbezogener Führungsstil ist stark restriktiv – die Vorgesetzten geben hier klare Arbeitsanweisungen und Deadlines vor und es gibt wenig Freiräume in der Aufgabengestaltung. Personenbezogen ist der Führungsstil dann, wenn die Mitarbeiterführung auf persönlichen Beziehungen basiert. Es gibt individuelle Unterstützung, Feedbacks und Motivation.
Eine situative Führung gelingt dann, wenn Führungskräfte beide Parameter individuell an die jeweilige Situation und den Reifegrad der Person anpassen können.
Eine gute Führung zeichnet sich dadurch aus, dass die Potenziale der Mitarbeitenden erkannt und vollständig für das Unternehmen genutzt werden können. Der jeweilige Reifegrad der Mitarbeitenden bezieht sich auf zwei Faktoren:
Der Reifegrad des Einzelnen gibt dem Führungsverantwortlichen eine wichtige Orientierung, welche Art von Führung er anwenden muss. Mitarbeitende mit einer geringeren Fähigkeit oder Bereitschaft benötigen mehr Anleitung, während bei „reiferen“ Menschen die Förderung der Eigenverantwortlichkeit im Fokus steht.
Die große Herausforderung in der Führung ist es generell zu entscheiden, wann welches Verhalten angebracht ist. Neue Mitarbeitende benötigen andere Anweisungen und Rückmeldungen als jemand, der bereits seit zehn Jahren im Betrieb ist.
Um zu entscheiden, wann welches Verhalten der Führungskraft in den Fokus gerückt werden muss, betrachtet ist ein situativer Führungsstil in vier Stufen eingeteilt, die sich am Reifegrad der Mitarbeitenden orientieren und Führungskräften eine Orientierung bieten sollen.
Mitarbeitende mit einem geringen Reifegrad benötigen klare Aufgaben und Arbeitsanweisungen. Wichtig ist beispielsweise, konkrete Deadlines zuzuweisen und die Arbeiten zwischendurch regelmäßig zu kontrollieren. Bei einem geringen Reifegrad der Mitarbeiter gleicht die Führung einem autoritären Führungsstil, der den Fokus zunächst auf die Aufgaben und nicht auf den Menschen setzt. Durch den Aufbau fester Strukturen und die Teilhabe am Wissen erweitern Mitarbeitende ihre eigenen Fähigkeiten und erlangen dadurch auch einen höheren Reifegrad.
Ein Beispiel:
Eine junge Absolventin tritt nach dem Abschluss ihre erste Stelle in einem Unternehmen an. Ihr fehlen noch wichtige praktische Erfahrungen. Daher profitiert sie in dieser Situation von den klaren Arbeitsanweisungen.
Wenn Mitarbeitende bereits einen höheren Reifegrad erreicht haben, dann achtet die Führungskraft neben der Aufgabenorientierung verstärkt auf die Personenorientierung. Anweisungen werden zwar weiterhin durch die Führungskraft erteilt, allerdings wird verstärkt Unterstützung und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit angeboten.
Ein Beispiel:
Ein Mitarbeiter möchte sich gerne weiterentwickeln und neue Aufgaben übernehmen. Ihm fehlt dafür allerdings noch die fachliche Kompetenz. Im situativen Ansatz unterstützt die Führungskraft seine Motivation, hilft aber mit klaren Anweisungen und einer Kontrolle der Ergebnisse.
Mitarbeitende, die einen höheren Reifegrad erreicht haben, besitzen zwar schon sehr gute Fähigkeiten, können diese aber noch nicht selbstständig einsetzen. Trotz vorhandener Kompetenzen machen sie Fehler, die sich vermeiden lassen. An dieser Stelle steht die Führungskraft dem Mitarbeitenden beratend zur Seite und ermutigt zu einem eigenverantwortlichen Verhalten. Der Fokus liegt auf dem Bestärken und Motivieren.
Ein Beispiel:
Eine Mitarbeiterin hat in der Vergangenheit bereits zwei große Projekte mit hoher Eigenverantwortung betreut und soll nun vollständig die Verantwortung für ein neues Projekt übernehmen. Sie zweifelt trotz der guten Ergebnisse aber noch an ihrer Fähigkeit. Die Führungskraft bestärkt in diesem Fall, hält ihr noch einmal die Erfolge vor Augen und bietet an, bei Problemen jederzeit da zu sein.
Ist dieser Zustand erreicht, dann besitzt ein Mitarbeitender sämtliche Fähigkeiten zum eigenverantwortlichen Handeln und setzt diese auch richtig ein. Die Führungskraft braucht kaum noch einzugreifen und schafft stattdessen neue Freiräume. Verantwortung wird schrittweise an diesen Mitarbeitenden abgegeben.
Ein Beispiel:
Ein Mitarbeitender arbeitet eigenständig an seinen Projekten und liefert zuverlässig korrekte Ergebnisse. Im festen Rhythmus gibt es Feedbackgespräche mit der Führungskraft.
Wer den situativen Führungsstil richtig anwenden möchte, muss verschiedene Führungsstile beherrschen und diese richtig anwenden können. Führungskräfte müssen, sowohl autoritär führen können als auch kooperativ und personenbezogen. Dabei sollten sie wichtige Eigenschaften mitbringen:
Der situative Führungsstil bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich. Eine seiner wichtigsten Stärken liegt in der Anpassungsfähigkeit an verschiedene Situationen und individuelle Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Durch die Berücksichtigung des Reifegrads der einzelnen Teammitglieder ermöglicht der situative Führungsstil eine effektive Führung und damit eine individuelle Entwicklung der Mitarbeitenden.
Situative Führung motiviert. Die Mitarbeitenden erkennen, dass sich jemand Zeit nimmt für ihre persönlichen Stärken und Schwächen und das Potenzial, sich in diesem Rahmen schnell weiterentwickeln zu können. Daraus wächst eine intrinsische Motivation, die Mitarbeiterzufriedenheit steigt und damit auch die Bindung und die Identifikation mit dem Unternehmen.
Darüber hinaus trägt der situative Führungsstil dazu bei, Konflikte konstruktiv zu bewältigen und die Teamleistung insgesamt zu verbessern. Indem Führungskräfte flexibel auf Veränderungen reagieren und ihre Führungstechniken entsprechend anpassen, können sie eine positive und unterstützende Arbeitsumgebung schaffen, in der Mitarbeitende ihr volles Potenzial entfalten.
Ein situativer Führungsstil verlangt der Führungskraft allerdings auch sehr viel ab. Sie muss jeden einzelnen Mitarbeiter genau im Blick haben und die Kompetenz mitbringen, bestimmte Situationen korrekt einzuschätzen.
Nicht immer sind klare Zuordnungen möglich. Manchmal hat ein Mitarbeitender einen hohen Reifegrad bei der Erstellung von Präsentationen, aber einen niedrigeren in anderen Aufgabenbereichen. Auch hier ist eine hohe Flexibilität gefragt, um jeweils den richtigen Schwerpunkt auf die personen- oder aufgabenbezogene Führung zu setzen.
Diese Aspekte sollten beim situativen Führen immer bedacht werden:
Führungskräfte haben oftmals einen Lieblingsführungsstil, den sie intuitiv anwenden. Es erfordert also von ihnen ein hohes Maß an Selbstreflexion, um auf fachlicher und zwischenmenschlicher Ebene flexibel und offen zu bleiben.
Wenn jeder Mitarbeitende nach seinen Fähigkeiten und Leistungen bewertet und gefördert wird, steigen auch die Motivation und das Leistungsniveau des Einzelnen. Genau das ist das Ziel des situativen Führens. Die Berücksichtigung des Reifegrads einzelner Teammitglieder sowohl auf Ebene der Fähigkeiten als auch der Bereitschaft fördert die individuelle Entwicklung, steigert die Mitarbeitermotivation und führt zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten im Team.
Führungskräfte stehen beim situativen Führen aber auch einigen Herausforderungen gegenüber. Sie müssen eine Konsistenz schaffen, sehr flexibel agieren und dürfen langfristige Ziele nicht aus dem Blick verlieren. Eine erfolgreiche Anwendung des situativen Führungsstils erfordert daher ein hohes Maß an Flexibilität, Empathie, Kommunikationsfähigkeiten, Entscheidungsfähigkeit, coachenden Fähigkeiten sowie Selbstreflexion und Kritikfähigkeit seitens der Führungskräfte.
Mit unseren speziellen Coachingangeboten unterstützen wir Dich gerne dabei, Deine Leadership-Qualitäten auszubauen und die Fähigkeiten gezielt weiterzuentwickeln, die für ein situatives Führen wichtig sind.